Die Zeit heilt NICHT alle Wunden

Die Zeit heilt NICHT alle Wunden

Für immer und ewig im Herzen eins

Meine Mama ist am 25.12.2014 im Alter von 66 Jahren gestorben. Seit diesem Tag hat sich die Welt für mich total geändert. Die Leichtigkeit des Seins ist verschwunden. Einfach weg.

Leider leben wir in einer Zeit, in der es erst sehr langsam dazu kommt, dass sich „jemand“ zum Thema Trauer äußert. Mit „jemand“ meine ich keine Psychologen, sondern ein „Du oder ich“. Vielleicht auch einfach mal ein Schauspieler oder eine Moderatorin. Ok, bitte nicht falsch verstehen, ich möchte nicht jeden Tag hören wie andere leiden. Aber ich habe gemerkt, dass es „schön“ war, in einer Talkshow (nicht in einem Trauerforum, sondern im Alltag) zu hören, dass es „xy“ genauso dreckig ging, wie es mir jetzt geht. Und vor Allem, dass es NICHT alles wieder in Ordnung ist.

Ich habe in der ganz akuten Zeit Freunde verloren, die damit nicht umgehen konnten und sich lieber zurückgezogen haben – vielleicht auch einfach aus dem Grund, weil sie nicht wussten wie man damit umgehen soll. Ich weiß es bis heute auch nicht. Doch ein ehrliches „Scheiße, das tut mir leid“ ist immer noch besser als ein „Herzliches Beileid“, denn unpersönlicher geht es schon gar nicht mehr. Andere haben mir nach 3 Monaten gesagt, jetzt musst Du aber langsam darüber hinweg sein. Bitte? Da saß ich noch mit meiner Schwester, meinem Mann und meinem Schwager, mitten in der Wohnung meiner Mutter und haben versucht die Wohnung aufzulösen. Auch beim kommenden Weihnachtsfest, kann man nicht verstehen, warum ich immer noch nicht auf high fidelity mache.

Aber ich habe auch eine ganz liebe Freundin wiedergefunden, ohne die ich es sehr viel schwerer gehabt hätte (außerhalb meiner Schwester, Mannes und Co.).

Langsam nähert sich Weihnachten und somit der zweite Todestag meiner Mama. Ich arbeite sehr stark an mir, dass ich nicht zum Weihnachtsgrinch werde, da ich die ganze Weihnachtszeit mit dem Sterben meiner Mama verbinde. Mit einem Lächeln auf den Lippen versuche ich mich selbst zu belügen, dass es mir gut geht. Wenn ich lange genug lächele, vielleicht glaube ich es dann auch selber?

Lange habe ich nach etwas gesucht, was mir irgendwie dabei helfen kann, „richtig“ zu trauern.


Bei meiner Suche hab ich mir ein Magazin von trauerbewaeltigung.org zu schicken lassen. Und sie haben auf einer Seite aufgeführt, was man definitiv NICHT zu einem Trauernden sagen sollte. Ich fühlte mich auf einmal sehr verstanden, denn von den sieben Punkten habe ich mir fast alle anhören müssen. Und ich dachte, warum wissen es die anderen nicht? Vielleicht auch, weil man darüber nicht spricht? Mit der Genehmigung von Comitari e.V. habe ich Euch mal die Punkte aufgeschrieben, denn leider kann man es für die Zukunft gut gebrauchen.

1. Sagen Sie nicht: Die Zeit heilt alle Wunden


Denn das stimmt ganz einfach nicht. Was stimmt ist der Schmerz verändert sich. Aber ein geliebter Mensch wird immer eine Lücke hinterlassen, die durch nichts und niemanden gefüllt werden kann. Auch nach Jahren kann es passieren, dass diese, inzwischen alte Wunde, wieder aufreißt. Manchmal reicht ein kleiner Impuls und eine Welle der Traurigkeit, Sehnsucht und Trauer bricht über einen Menschen herein. Statt dessen können sie sinngemäß sagen: „Ich hoffe, das sie Zeit deinen Schmerz mildert und es Dir gelingt, dankbar zurückzublicken auf das unglaubliche Geschenk, einen Menschen geliebt zu haben und geliebt worden zu sein.

2. Sagen Sie nicht: Der Tod war eine Erlösung!


Es mag sein, dass ein Verstorbener einen furchtbaren Leidensweg hinter sich hatte. Sicher ist er oder sie von seinen/ihren Schmerzen erlöst. Aber bedenken Sie bitte, dass Sie zu einem Menschen reden, der tief traurig ist. Der vielleicht wochen-, manchmal monatelang am Bett eines geliebten Menschen gesessen hat und der emotional hoch sensibel ist. Wenn, dann sprechen Sie nicht Erlösung, sondern lieber davon, dass die Schmerzen nun eine Ende gefunden haben und dass sie hoffen, dass er Trost darin findet, dass das Leiden des Anderen ein Ende gefunden hat.

3. Sagen Sie nicht: Das Leben geht weiter!


Auch das ist eine Phrase, weil sie nur etwas zum Ausdruck bringt, was jeder Mensch ohnehin weiß. Vielleicht nehmen Sie den oder die Trauernden ganz einfach in den Arm und sagen: „Ich fühle mit dir. Auch wenn du nicht weißt, wie es morgen weitergehen wirr, ich (wir) wollen für dich da sein!“

4. Sagen Sie nicht: Du wirst schon darüber hinweg kommen!


Worüber soll er den „hinwegkommen“? Dass er einen über allem geliebten Menschen verloren hat? Diese Aussage ist sehr unsensibel. Sie nimmt überhaupt keine Notiz davon, dass der Trauernde trauern muss, um innere Heilung zu finden. Drücken Sie lieber aus, dass Sie dem Trauernden viel Kraft wünschen, die Trauer auszuhalten und signalisieren Sie Ihre Bereitschaft, für den Trauernden in dieser schweren Zeit da zu sein.

5. Sagen sie einem Trauerndem niemals: Kopf hoch!


Noch so ein Satz, der etlichen viel zu leicht und schnell über die Lippen geht. Wer traurig ist, wer trauert leidet seelischen Schmerz und kann und muss dies auch nicht immer verbergen. Wer um einen Menschen Trauer trägt, zeigt, dass er geliebt hat und er hat alles Recht der Welt dies auch zeigen zu dürfen. Je nachdem wie nahe Sie einem solchen Menschen stehen, ist es vielleicht einfacher ihn ohne Worte in den Arm zu nehmen. Oder zu sagen: „Ich sehe, dass es dir nicht gut geht. Das macht mich auch ganz traurig.“ Solidarisieren Sie sich mit einem Menschen, der trauert oder sagen Sie lieber nichts.

6. Sagen Sie nicht: Nimm es dir nicht so zu Herzen!


Trauer trifft mitten ins Herz. Genau dort tut es unendlich weh. Wenn wir vom Herzen sprechen, dann meinen wir nicht ein Organ, sondern das Zentrum unserer Gefühle, unseres seins. Nichts kann und nichts sollte unser Herz daran hindern, zu trauern. Dieser Satz geht gar nicht!

7. Schicken Sie an Weihnachten und Geburtstagen keine allgemeinen Karten!


Viele von uns haben die Gewohnheit, zu Weihnachten Fotos und allgemeine Information über das Ergehen der Familie an Freunde und Bekannte zu schicken.
Manche benutzen auch vorgedruckte Weihnachtskarten, die sie dann allenfalls unterschreiben. Solche Karten und Briefe sind für viele eine Freude, doch sie sind oft eine Qual für Menschen, die ein erstes Weihnachtsfest alleine feiern müssen. Wir haben alle ein Recht darauf, glücklich zu sein und andere an unserem Glück teilhaben zu lassen. Aber wenn Sie einen solchen Brief schicken, dann schreiben Sie auch einige persönliche Zeilen dazu: „Wir denken an Dich. Bestimmt ist das Weihnachtsfest ohne … nicht leicht. Wir wünschen Dir dennoch, dass diese Tage der Stille und der Besinnung auch mit vielen guten Erinnerungen an … verbunden sind und Dich irgendwie trösten.“

Zu gute Letzt:


Manchmal ist es einfach besser, gar nichts zu sagen und Mitgefühl durch einen herzlichen Händedruck oder eine Umarmung auszudrücken. Der Trauernde wird es uns sehr danken und zu schätzen wissen.

Gute zwei Jahre nach dem Tod meiner Mama

Es ist noch nicht so lange her, dass ich wirklich mal wieder Freude empfunden habe. Mein Lächeln im Gesicht ist echt und ich laufe singend durch die Wohnung. Das heißt nicht, dass ich meine Mama nicht jede Sekunde vermisse, aber ich habe meine Gefühle gut verkapselt in meiner Seele verstaut. Beerdigungen oder schlimme Krankheitsfälle muss ich mir trotzdem nicht im Fernsehen ansehen. Da kommen natürlich die Erinnerungen wieder hoch. Aber gut, das man eine Fernbedienung hat und zur Not den Sender wechseln kann. 

Vielleicht spielt auch der kommende Frühling mir gut in die Karten. Aber ich kann sagen es geht mir gut.  

– Aber meine Wunden sind trotzdem nicht verheilt – 

Leider ist es mittlerweile Usus, dass man wirklich um jeden, der seine Nase auch nur einmal ins Fernsehn gesteckt hat und nun gestorben ist, per Onlinemedien ganz groß trauert. (Ist ja auch ok), aber die Onlinemagazine nehmen es immer wieder als Anreiz, noch die 20 anderen aufzuzählen, die die Monate zuvor gestorben sind. Das passiert nicht wie früher am Ende des Jahres, nein, jedes mal, wenn jemand stirbt. Da bekommt man das Gefühl, es gibt nur noch Tote.

Daniela Sommer

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